Als die Ärzte Miriam Staunton vor sechs Jahren ihren Tumor aus der Achselhöhle entfernten, teilten sie der 51-jährigen Irin mit, dass sie ein Rückfallrisiko von 70 Prozent habe. In den Monaten nach der Operation wurden ihr jedoch nur lokale Bestrahlung und regelmäßige Kontrolluntersuchungen angeboten, aber keine medikamentöse Behandlung. "Ich erinnere mich noch daran, wie ich den Onkologen traf und er mir sagte, er könne mir zu diesem Zeitpunkt keine systemische Behandlung anbieten", sagt Staunton. "Ich verstand damals nicht wirklich, was er damit genau meinte."
Was Staunton nicht wusste, war, dass sie warten musste, bis ihr Melanom ein Jahr später zurückkehrte, bevor sie Anspruch auf wirksame, aber teure Medikamente hatte. Nachdem der Krebs im Februar 2019 in das vierte Stadium vorgedrungen war, begann sie mit einer Behandlung mit Opdivo in Kombination mit Yervoy – bahnbrechende Medikamenten, die als Immuntherapie bekannt sind und in Irland aufgrund ihrer hohen Kosten auf die schwersten Krebsformen beschränkt waren. In anderen Teilen Europas hätte Staunton kurz nach ihrer Operation Opdivo einnehmen können. Im Juli 2018 hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) die Therapie für Melanompatienten im dritten Stadium freigegeben. Frankreich erstattete die Kosten sofort, Irland jedoch nicht. Der Grund für diese Verzögerung ist, dass sich Irland und der amerikanische Arzneimittelhersteller Bristol Myers Squibb (BMS) nicht auf den Preis von Opdivo einigen konnten.
Jedes Land verhandelt für sich allein
Wenn die EMA neue Arzneimittel für die Verwendung in der EU zulässt, muss jeder Mitgliedsstaat einzeln mit den Herstellern Vereinbarungen über die Erstattung treffen. Die Verhandlungen können langwierig sein, da die Unternehmen oft reiche Märkte bevorzugen und die Regierungen vertrauliche Rabatte anstreben. "Es ist eine Sache, wenn es keine Heilung gibt, aber wenn die Behandlung existiert und die Menschen keinen Zugang dazu haben, ist das grundlegend falsch", sagt Staunton, die derzeit krebsfrei ist. In der Zwischenzeit hortet die Pharmaindustrie – wie viele andere Branchen auch – horrende Gewinne in Steuerparadiesen.
Eine Recherche von Investigate Europe legt offen, dass die 15 größten europäischen und amerikanischen Arzneimittelhersteller, darunter auch BMS, mehr als 1300 Tochtergesellschaften in Steueroasen und Niedrigsteuergebieten gegründet haben. Diese Gebiete bieten den Unternehmen niedrige Steuern oder Möglichkeiten zur Gewinnverlagerung – manchmal auch beides. In Europa sind sich Forscher und Aktivisten im Allgemeinen einig, dass dazu Irland, die Niederlande, die Schweiz und Luxemburg gehören. Die 15 größten Pharmaunternehmen haben so allein in den vergangenen fünf Jahren Gewinne von 580 Milliarden Euro angehäuft. Dieser Betrag übersteigt ihre Kosten für Forschung und Entwicklung (F&E), denn die Industrie behauptet häufig, dass die hohen Arzneimittelpreise nötig seien, damit die Konzerne forschen und innovativ sein können, um neue Medikamente zu entwickeln. Die Renditen stehen im Einklang mit den übergroßen Gewinnen, die für den gesamten Sektor typisch sind.
Ein System der Steuervermeidung
Einige der irischen Tochtergesellschaften der Konzerne haben hunderte Milliarden Dollar angehäuft und nutzen immer noch eine Version des "Double Irish"-Steuervermeidungssystems, so die Analyse von Investigate Europe. "Weniger Steuern bedeuten weniger Investitionen in die Gesundheitsversorgung in Irland und haben auch negative Auswirkungen auf Länder im Globalen Süden", sagt Aideen Elliott von Oxfam Irland. "Nichts, was diese Unternehmen tun, ist illegal. Sie nutzen lediglich die Steuervorschriften für Unternehmen aus."
Alle in diesem Artikel erwähnten Unternehmen wurden für eine Stellungnahme kontaktiert. Astra Zeneca, Bayer, Eli Lilly, Novartis, Novo Nordisk, Roche und Sanofi antworteten speziell zu Steuerfragen und erklärten, dass sie alle Vorschriften einhielten. Sanofi betonte, dass seine Präsenz in Niedrigsteuerländern durch die Bedürfnisse der lokalen Patienten gerechtfertigt sei. Bayer erklärte, dass es als deutsches Unternehmen auf seine Offshore-Gewinne besteuert werde, und fügte hinzu, dass einige der in diesem Artikel genannten Länder nicht als Steueroasen betrachtet werden sollten.
System an Rabatten und Geheimnissen
In Irland ist BMS in die Verhandlungen mit den Gesundheitsbehörden mit einem Startpreis von 1311 Euro für eine 100-mg-Dosis von Opdivo eingetreten. Dies steht in krassem Gegensatz zu den Schätzungen von Wissenschaftern, wonach ähnliche Antikörper für 9,50 Dollar (8,85 Euro) bis 20 Dollar (18,60 Euro) pro 100 mg hergestellt werden können. Im November 2019 wies das irische Gesundheitssystem auf die "erheblichen Auswirkungen auf das Budget" hin, die die Bereitstellung des Medikaments für Krebserkrankungen im dritten Stadium hätte, und erklärte, dass die Gespräche mit dem Unternehmen noch andauerten. Opdivo wurde schließlich im Februar 2021 erstattet, zweieinhalb Jahre nach Frankreich. Der endgültige Rabatt bleibt ein Geschäftsgeheimnis.
Ironischerweise stellt BMS Opdivo in Dublin her, in einer Anlage in der Nähe von Stauntons Wohnort. Während die Behandlung für einige irische Patienten aufgrund ihrer Kosten nicht zugänglich war, machte der Anbieter dank der attraktiven irischen Steuervorschriften enorme Gewinne. Der ausgedehnte, hochmoderne Campus von BMS in der irischen Hauptstadt gehört zu einer Tochtergesellschaft, die im Jahr 2022 einen Umsatz von 17,2 Milliarden Dollar erzielte, was mehr als einem Drittel der weltweiten Einnahmen des Herstellers in diesem Jahr entsprach. Doch obwohl Swords Laboratories in Irland registriert ist, ist es für Steuerzwecke ein Schweizer Unternehmen.
Die direkte Muttergesellschaft, Bristol Myers Squibb Holdings Ireland, genießt eine ähnliche Doppelresidenz und besitzt Patente für mehrere BMS-Therapien. Im Jahr 2022 bewertete die Holding die Vermögenswerte mit mehr als einer Milliarde Dollar und kassierte 4,5 Milliarden Dollar an Lizenzgebühren für Medikamente, die von Swords Laboratories hergestellt werden, wie zum Beispiel Eliquis – einer der meistverkauften Blutverdünner. Darüber hinaus erhielt die Holding in nur zwei Jahren fast neun Milliarden Dollar an Dividenden aus dem Dubliner Werk.
"Double Irish"
Die Vereinbarung ähnelt einem berüchtigten Steuervermeidungsschlupfloch, das Irland zu schließen gelobt hat. Das sogenannte Double Irish war ein gängiges Instrument für Technologie- und Pharmakonzerne, um ihre effektive Steuerrechnung unter den derzeitigen irischen Körperschaftssteuersatz von 12,5 Prozent zu drücken. Bei diesem Verfahren werden zwei irische Unternehmen gegründet: eines für betriebliche Zwecke und das andere für den Besitz von geistigem Eigentum (IP). Das erste zahlt Lizenzgebühren an das zweite, das steuerlich im Ausland ansässig ist, beispielsweise auf den Bermudas.
"Irland hat mit dem Finanzgesetz 2014 Änderungen an seinen Vorschriften zur Ansässigkeit in der Körperschaftsteuer vorgenommen, die speziell darauf abzielen, solche Strukturen wie die sogenannten Double Irish zu verhindern", sagt ein Sprecher des Finanzministeriums. "Diese Regeln stellen sicher, dass es für Unternehmen nicht möglich ist, Unstimmigkeiten bei den Vorschriften zur steuerlichen Ansässigkeit auszunutzen." James Stewart, außerordentlicher Professor für Finanzwesen am Trinity College Dublin, sagt jedoch, dass diese Strukturen weiterhin bestehen können, da Irland ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz hat. "Diese Firmen verfügen über sehr große Vermögenswerte und Geldströme, haben im Allgemeinen keine Angestellten und sind sehr profitabel. Sie werden wahrscheinlich eine Quelle der Gewinnabschöpfung sein", fügt er hinzu.
Hohe Gewinne, niedrige Steuern
Der direkte Hauptaktionär von BMS Holdings Ireland ist ebenfalls ein irisches Unternehmen mit Schweizer Steuerwohnsitz. Die beiden Holdings und Swords Laboratories leiten die Gewinne nicht nur ins Ausland, sondern parken sie auch in ihren Kassen. Bis Ende 2022 hatte das Trio ein Eigenkapital von mehr als 30 Milliarden Dollar angehäuft. Die Unterbringung von geistigem Eigentum in Steuerparadiesen ist bei BMS gängige Praxis. Die Patente auf Opdivo und Yervoy liegen in Delaware, einem amerikanischen Bundesstaat, der keine Steuern auf Lizenzgebühren erhebt. Die beiden Medikamente machten 2023 ein Viertel der 45 Milliarden Dollar Umsatz des Konzerns aus. In diesem Jahr hatte BMS 135 Tochtergesellschaften in Steuerparadiesen: 81 in Delaware, 15 in der Schweiz, 13 in Irland und zwölf in den Niederlanden. Diese Strukturen verhalfen dem Unternehmen zu einem effektiven Körperschaftssteuersatz von 4,7 Prozent, der weit unter dem gesetzlichen US-Steuersatz von 21 Prozent liegt.
Ein Teil davon war auf ein günstiges Steuerurteil zurückzuführen, aber die größte Verringerung ergab sich aus der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung in Irland, der Schweiz und Puerto Rico, wie aus dem Jahresbericht von BMS hervorgeht. Das Unternehmen reagierte nicht auf Bitten um Stellungnahmen.
BMS ist kein Einzelfall. Investigate Europe hat die Bilanzen der vergangenen fünf Jahre der 15 größten amerikanischen und europäischen Pharmakonzerne analysiert. Zusammen haben sie bis zum Ende des Vorjahres 1300 Tochtergesellschaften in Steueroasen angegeben. Die tatsächliche Zahl ist wahrscheinlich höher, da die Meldevorschriften die multinationalen Unternehmen nur dazu zwingen, diejenigen Unternehmen aufzulisten, die sie als "bedeutend" einstufen. Delaware lag mit 700 Unternehmen an der Spitze. An zweiter Stelle stehen die Niederlande mit fast 170 Unternehmen. Es folgen die Schweiz und Irland mit jeweils fast 120 Unternehmen. Wie BMS hat auch der US-Gigant Merck ein Netz von irischen Tochtergesellschaften mit Schweizer Steuerdomizil aufgebaut, die bis 2022 mindestens 44 Milliarden Dollar an Eigenkapital hielten.
Irisches Steuerparadies
Nicht alle Arzneimittelhersteller verlassen sich auf das doppelte irische System. Nach Schätzungen von Investigate Europe hatten viele ihrer Tochtergesellschaften bis zum Jahresende 2022 ein beträchtliches Eigenkapital in Irland angehäuft: 308 Milliarden Dollar für Abbvie, über 102 Milliarden Dollar für Johnson & Johnson, 20 Milliarden Dollar für Astra Zeneca und 17 Milliarden Dollar für Gilead. Neun der zehn größten Pharmakonzerne der Welt haben Niederlassungen in Irland, und der größte wird "wahrscheinlich Pfizer sein", vermutet Stewart. "Ich sage 'wahrscheinlich', weil für keine der irischen Tochtergesellschaften veröffentlichte Bilanzen vorliegen. Fast alle Pfizer-Tochtergesellschaften in Irland sind als Niederlassung eines niederländischen Unternehmens tätig."
In den Niederlanden erwirtschaftet Pfizer drei Viertel seines weltweiten Umsatzes von 100 Milliarden Dollar, wobei eine niederländische Holding an der Spitze einer Vielzahl von Tochtergesellschaften steht. CPPI CV, eine Kommanditgesellschaft, ist "steuerlich transparent", was bedeutet, dass ihre Anteilseigner Gewinne unversteuert abziehen können. In den zwei Jahren bis Ende 2023 hat CPPI 35 Milliarden Dollar an seine Muttergesellschaften in Delaware überwiesen. Follow the Money, ein investigativer Rechercheverbund, veröffentlichte mehrere Artikel über die niederländischen Geschäfte von Pfizer und beschrieb, wie die Partnerschaft zum profitabelsten Unternehmen in den Niederlanden wurde. Pfizer reagierte nicht auf Bitten um Stellungnahme.
Gewinnrückholung war ein Fehlschlag
"Amerikanische Unternehmen haben in der Vergangenheit Bargeld in Niedrigsteuerländern gehortet, um Steuern zu vermeiden, die sie normalerweise zahlen müssten, wenn sie ihre Gewinne in die USA zurückführen", erklärt Reuven Avi-Yonah, Rechtsprofessor an der University of Michigan. "Im Jahr 2018 versuchte eine US-Reform, dies mit einer 10,5-prozentigen Steuer auf ausländische Einkünfte zu ändern, aber sie ermutigte die große Pharmaindustrie, noch mehr Gewinne im Ausland zu behalten, da sie diesem attraktiven Steuersatz und nicht dem gesetzlichen US-Steuersatz von 21 Prozent unterliegen würden." "Jeder, der ein Einkommen hat, möchte die Steuerlast auf dieses Einkommen begrenzen, und Unternehmen sind da keine Ausnahme", sagt Paul Fehlner, ehemaliger Leiter der Abteilung für geistiges Eigentum bei Novartis, einem Schweizer Pharmariesen. "Indem man das Eigentum an Patentrechten in eine Niedrigsteuer-Jurisdiktion verlagert und die Gelder dann intern in eine Patent-Holdinggesellschaft fließen lässt, kann man die Gesamtsteuerlast reduzieren."
Patente werden von Unternehmen oder Erfindern auf neue Produkte angemeldet, um Wettbewerb zu verhindern. Als Gegenleistung dafür, dass sie ihre Entdeckung mit der Öffentlichkeit teilen, erhalten die Patentinhaber für einen bestimmten Zeitraum, in der Regel 20 Jahre, das Exklusivrecht zur Herstellung und Vermarktung des Medikaments. Generika sind in der Regel um bis zu 85 Prozent billiger, sobald sie auf den Markt kommen. Aber solange ihre Monopole bestehen, können die Arzneimittelhersteller den Regierungen und Versicherungen hohe Preise aufzwingen. Pharmazeutische Führungskräfte rechtfertigen dies oft mit teuren Forschungs- und Entwicklungskosten.
Mehr Gewinn als Forschungskosten
Die von Investigate Europe zusammengestellten Daten zeigen jedoch, dass die Industrie bei einer kollektiven Betrachtung mehr Gewinn aus dem Verkauf bestehender Medikamente erzielt, als sie in die Entwicklung neuer Medikamente investiert. In den untersuchten fünf Jahren haben die 15 multinationalen Unternehmen 580 Milliarden Euro nach Steuern eingenommen, während sie 572 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung aufwendeten. Die Gewinne wurden größtenteils in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen in Höhe von insgesamt 558 Milliarden Euro an die Aktionäre ausgeschüttet. Infolgedessen gaben die folgenden Konzerne mehr für die Belohnung von Investoren als für Forschung und Entwicklung aus: Abbvie, Johnson & Johnson, Novartis, BMS, Pfizer, Novo Nordisk und Amgen. Andere Unternehmen, darunter Astra Zeneca, Merck und Bayer, investierten mehr in Forschung und Entwicklung, als sie Gewinne erzielten oder an ihre Aktionäre auszahlten. Das in europäischen Steuerparadiesen angehäufte Vermögen der großen Pharmaunternehmen steht im Gegensatz zu der Ungleichheit beim Zugang und den knappen Gesundheitsbudgets vor Ort. So sehr Irland die Arzneimittelhersteller mit seinen steuerlichen Vergünstigungen lockt, irische Patienten müssen oft länger als ihre westeuropäischen Kollegen warten, bis sie innovative Medikamente erhalten.
"Die Pharmaunternehmen machen deutlich, dass ihnen die größeren Märkte wichtiger sind und dass sie uns als kleinem Mitglied keinen Rabatt geben wollen", sagt ein ehemaliger irischer Gesundheitsbeamter, der anonym bleiben möchte. "Viele Unternehmen lassen sich mit der Beantragung einer Marktzulassung in Irland viel Zeit. Einige haben mir manchmal wörtlich gesagt, dass Irland so unbedeutend ist, dass es ihren Chefs eigentlich egal ist, ob ihre Medikamente hier erhältlich sind oder nicht."
Kehrtwende
Die Irish Pharmaceutical Healthcare Association (IPHA), eine Lobbyorganisation der Industrie, schätzt, dass zwischen dem Beginn der Bewertung eines neuen Medikaments durch die irische Arzneimittelbehörde und der Genehmigung der Kostenerstattung im Durchschnitt mehr als zwei Jahre vergehen. In ihrem Haushalt 2024 kündigte die irische Regierung an, dass es keine neuen Mittel für neue Medikamente geben würde, bevor sie eine Kehrtwende vollzog und 20 Millionen Euro für innovative Arzneimittel bereitstellte.
Auch in den steuerfreundlichen Niederlanden ist das Bild kontrastreich. Staatliche Rechnungsprüfer haben der Regierung vorgeschlagen, größere Rabatte auszuhandeln, um ihren Haushalt zu schützen, und darauf hingewiesen, dass nicht alle zugelassenen Therapien kosteneffizient sind. Die niederländischen Gerichte sind bereit, zu einem Schlachtfeld zwischen einem Arzneimittelhersteller und seinen Gegnern zu werden. Im Jahr 2023 reichte die Pharmaceutical Accountability Foundation (PAF), eine öffentliche Interessengruppe, eine Klage gegen das US-Unternehmen Abbvie wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ein. PAF behauptet, dass das Unternehmen über 14 Jahre hinweg übermäßige Gewinne in der Höhe von 1,2 Milliarden Euro aus dem niederländischen Verkauf von Humira, dem weltweit meistverkauften Medikament zur Behandlung einer Reihe von Krankheiten, erzielt hat.
"Wir hoffen, dass die Entscheidung des Richters eine Warnung an die Pharmaunternehmen sein wird: Sie können jeden Preis verlangen, den sie wollen, aber wenn sie wirklich aus der Reihe tanzen, sind sie angreifbar und müssen zurückzahlen", sagt Wilbert Bannenberg, der Vorsitzende der PAF. "Wir weisen die unbegründeten Anschuldigungen der Pharmaceutical Accountability Foundation zurück, die, wie dem Gericht mitgeteilt wurde, das Preissystem für alle Arzneimittel infrage stellt und möglicherweise künftige Innovationen behindert", sagte ein Sprecher von Abbvie.
Schwachstelle im Patentsystem
Bevor die Kritiker in den Niederlanden auftauchten, stand das Unternehmen bereits in seinem Heimatland unter scharfer Beobachtung. Im Jahr 2022 stellte ein Ausschuss des US-Senats fest, dass Abbvie Steuern in Milliardenhöhe hinterzieht, indem es sein geistiges Eigentum auf den Bermudas aufbewahrt und seine Produkte in Irland und Puerto Rico herstellt. Im selben Jahr deckte die Interessenvertretung I-Mak auf, dass der Konzern 94 Prozent seiner 166 amerikanischen Patente auf Humira anmeldete, nachdem das Medikament bereits auf dem Markt war. Mit dieser List wurden Konkurrenten in Schach gehalten und billigere Generika verzögert. "Sie hatten all diese Patente, die all diese Variationen abdeckten, verschiedene Dosierungen, sogar verschiedene Nadelgrößen bei den Pens, die das Medikament abgeben", sagt Tahir Amin, CEO von I-Mak. "All dies führte dazu, dass der Wettbewerb blockiert wurde, denn wenn man einen Rechtsstreit führt, zahlt man Millionen von Dollar, um nur ein Patent zu entfernen."
Die als "Evergreening" bekannte Praxis wird von I-Mak und anderen als Schwachstelle im Patentsystem kritisiert, die es den Unternehmen ermöglicht, lukrative Monopole zu verlängern. Fehlner, der jetzt Geschäftsführer eines Biotech-Unternehmens ist, das bereits vorhandene Medikamente wiederverwendet, ist da differenzierter: "Es gibt ein eindeutiges Interesse der Unternehmen, die Rentabilität von Medikamenten so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Sie haben einen Anreiz, das zu tun."
Nach Ansicht des ehemaligen Novartis-Direktors ist es Aufgabe der Regierungen, bei der Unterzeichnung von Verträgen mit Pharmakonzernen Bedingungen zu stellen, die die Preise dämpfen und den Wettbewerb fördern. Die Unternehmen seien "so organisiert, dass sie ihren Gewinn maximieren", sagt er. "Ich glaube also nicht, dass ich sie dafür verantwortlich mache. Machen Sie den Löwen dafür verantwortlich, dass er das Zebra gefressen hat? Nein."