Warum der massive Pestizideinsatz uns alle betrifft: Antworten auf Ihre Fragen

Credit: Alexia Barakou

1) Wofür werden Pestizide verwendet und warum?

Nutzpflanzen benötigen seit je her Schutz – gegen Krankheiten, Schädlinge und Organismen wie Insekten, Unkraut, Pilze oder Bakterien. Früher nutzten Landwirte dafür natürliche Mittel. Doch mit der wachsenden Weltbevölkerung und dem Aufstieg industrieller Landwirtschaft sind Stoffe unverzichtbar geworden, die Schädlinge abwehren, Wachstum regulieren und gute Ernten produzieren. Chemische und synthetische Ackergifte schienen dafür die einfachste Lösung.

Laut der UN- Landwirtschaftsorganisation FAO kommt es jeder Jahr zu Ernteausfällen von 20 bis 40 Prozent – auf Grund von Unkraut, Schädlingen und Krankheiten. Große Konzerne behaupten, dass diese Zahl sich ohne den Einsatz von Pestiziden verdoppeln würde.

Das Geschäft mit den Ackergiften ist lukrativ. Innerhalb der vergangenen 20 Jahre hat sich das Volumen der globale Pestizid-Markt verdoppelt auf 52 Milliarden Euro. Daran hatten auch europäische Landwirtinnen und Landwirte einen erheblichen Anteil. Allein im Jahr 2019 wurden in Europa Pestizide im Wert von zwölf Milliarden Euro verkauft. Doch der massive Chemikalieneinsatz führt dazu, dass Schädlinge resistenter werden. Deshalb müssen Bäuerinnen und Bauern noch mehr Pestizide einsetzen, um die gleichen Mengen zu ernten. Inzwischen sind viele von ihnen abhängig vom Einsatz der chemischen Mittel, um Unkraut, Schädlingen und Pilze zu bekämpfen. Die Organisation Foodwatch kommt in einem Bericht aus Juni 2022 zu dem Schluss, dass europäische Landwirte gefangen seien in einem wirtschaftlich und ökologisch unnachhaltigen System.

2) Inwiefern betreffen mich Pestizide persönlich?

Wir befinden uns in einer Biodiversitätskrise. Arten sterben schneller aus als je zuvor in den vergangenen 65 Millionen Jahren – seit ein Meteorit das Zeitalter der Dinosaurier beendete. Ein Grund dafür ist auch das globale Ernährungssystem, das Monokulturen fördert und ermöglicht wird durch den massiven Einsatz von Düngemitteln und Ackergiften. Die Stoffe verschmutzen den Boden und bleiben mitunter für immer im Grundwasser.

Ackergifte töten nicht nur Unkraut und Nagetiere. Sie können auch viele andere Organismen vergiften, zum Beispiel Insekten, Vögel oder Fische. Ohne diese Bestäuber ist die moderne Landwirtschaft nicht gegen die Klimakrise gewappnet. Bis zu 75 Prozent der wichtigsten Nahrungspflanzen sind für ihre Bestäubung auf Tiere angewiesen. Es entsteht ein Teufelskreis, in dem die Intensivlandwirtschaft selbst zu einer Hauptquelle von Schadstoffen wird, die den Klimawandel vorantreiben. Sie ist für ein Drittel der weltweiten Treibhausgase verantwortlich.

Auch für die menschliche Gesundheit können Pestizide gefährlich sein. Das zeigt der Fall des Herbizids Glyphosat, eines der meistgenutzten Unkrautbekämpfungsmittel in Europa und weltweit. Die Internationale Agentur für Krebsforschung, die zur Weltgesundheitsorganisation gehört, hat das Mittel als „wahrscheinlich krebserregend“ bezeichnet. Doch das bestreiten Industrie und mehrere EU-Agenturen.

3) Wie genau beeinträchtigen Ackergifte die Umwelt?

Pestizide sind dafür gemacht, außer der angebauten Nutzpflanze alle Organismen zu vergiften, dazu gehören auch wichtige Insekten, die Pflanzen bestäuben. Im Jahr 2017 stellte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Niederlanden und Deutschland in einer  Studie über den Insektenbestand in deutschen Naturschutzgebieten fest, dass 75 Prozent der Insekten innerhalb von 27 Jahren ausgestorben waren.

Wenn Bienen Nektar, Pollen oder Wasser sammeln, können sie Rückstände von Ackergiften aufnehmen. Imker haben in den letzten zehn bis 15 Jahren ein massives Bienensterben festgestellt, vor allem in den westeuropäischen Staaten Frankreich, Belgien, Schweiz, Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Italien und Spanien. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sind Intensivlandwirtschaft und Pestizide zwei wahrscheinliche Ursachen dafür.

Das Insektensterben hat auch Auswirkungen auf Vögel in ganz Europa. Sie finden kein Futter mehr und können ihre Jungen nicht ernähren. Am meisten betrifft das Vögel, die in landwirtschaftlich genutzten Gegenden leben. Deren Bestand hat sich in der EU zwischen 2005 und 2020 um 17,4 Prozent verringert. Viel besser geht es den gleichen Arten, wenn sie in der Stadt leben, sagt Ariel Brunner von Bird Life International. „Das zeigt uns eindeutig, dass unser landwirtschaftliches System sie tötet. Landwirtschaftliche Böden werden zu ökologischem Brachland.”

4) Aber brauchen wir Pestizide nicht für eine stabile Nahrungsmittelproduktion und für Lebensmittelsicherheit?

Darauf gibt es nicht die eine richtige Antwort. Manche Studien (teilweise von der Branche selbst finanziert) prognostizieren einen bedeutenden Ernterückgang – zwischen zehn und 20 Prozent – infolge des geplanten Abbaus von Pestiziden in der EU. Sie erwecken den Eindruck, dass die Nahrungsmittelproduktion eine solche Reform nicht riskieren darf.

Andere argumentieren dagegen, dass wir ohnehin schon alle Kapazitäten der Erde für Nutzpflanzen und Weidetiere ausgereizt haben, und dass die Situation nur noch schlimmer wird, wenn Schädlinge resistenter werden, der Boden zersetzt und die Artenvielfalt verloren ist. Langfristig betrachtet scheinen Ackergifte die Lebensmittelsicherheit eher zu gefährden als sie zu garantieren.

Wissenschaftlerinnen und Umweltschützer fordern eine komplette Abschaffung aller Pestizide, oder zumindest von 80 Prozent in den kommenden Jahren. Die geplante EU-Verordnung sieht jedoch nicht vor, Pestizide abzuschaffen, sondern ihre Nutzung bis 2030 zu halbieren. In zwei Studien (hier und hier) haben französische Wissenschaftler herausgefunden, dass es möglich ist, die chemische Behandlung von Nutzpflanzen massiv zu reduzieren, ohne dass es dabei zu Verlusten bei der Ernte kommen würde.

Hinzu kommt, „dass wir dreimal so viele Kalorien anbauen, grob gesagt, wie wir brauchen, um alle zu ernähren. Doch etwa ein Drittel dieser Nahrungsmittel wird verschwendet, und ein Drittel wird an Tiere verfüttert“, sagt Dave Goulson von der Universität Sussex. Das Problem ist also weniger die Menge der verfügbaren Nahrungspflanzen, sondern das Verhalten der Konsumenten sowie Preise und Verteilung – sowohl in Europa wie auch in anderen Regionen der Welt, die mehr mit Nahrungsmittelknappheit zu kämpfen haben.

Die industrielle Landwirtschaft hat es noch nie geschafft, allen Menschen auf der Welt einen sicheren Zugang zu Nahrungsmitteln zu ermöglichen. Obwohl die Produktion bestimmter Nutzpflanzen sich seit den 1960er Jahren mehr als verdreifacht hat – unter anderem durch die Nutzung von Pestiziden und Düngemitteln – hungerte 2019 einer von neun Menschen. Zeitgleich sind Übergewicht und Fettleibigkeit zu drängenden Gesundheitsproblemen geworden. Fast 40 Millionen Kinder unter fünf Jahren waren im gleichen Jahr übergewichtig.

5) Wie geht die europäische Politik mit dem Pestizidproblem um?

Am 22. Juni 2022 legte die EU-Kommission das erste Mal einen verbindlichen Gesetzesentwurf zur Pestizidnutzung vor: die sogenannte Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden würde diese bis 2030 halbieren. Die 27 EU-Regierungen und Parlamente sollen in den kommenden Monaten darüber diskutieren. Doch ob aus dem Entwurf Wirklichkeit wird, ist angesichts einer breiten Opposition fragwürdig.

Dem Gesetzesentwurf voran ging eine Entscheidung, die einen echten politischen Fortschritt bedeutet hat: am 2. Juni 2022 einigten sich die EU-Staaten darauf, die Pestizidnutzung in Europa öffentlich zu registrieren und zu dokumentieren. Dazu soll ein System namens SAIO geschaffen werden, kurz für „Statistics on agricultural input and output“. Bisher gab es kein gemeinsames System dafür und keine Möglichkeit festzustellen, ob die Pestizidnutzung zu- oder abnimmt. Nun sind EU-Staaten erstmals verpflichtet, Daten zur Nutzung einzugeben. Vom ursprünglichen Entwurf blieb allerdings nur ein Kompromiss übrig: erst ab 2028 sollen diese Daten veröffentlicht werden, also erst kurz vor Ablauf der Frist zur Halbierung der Pestizidnutzung 2030.

Schon 2009 startete die EU einen ersten Anlauf, die Risiken von Ackergiften in den Griff zu bekommen, damals mit einer Richtlinie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden. Sie hatte keinen Erfolg, weil sie nicht bindend war und keine Mechanismen vorsah, um ihre Wirksamkeit zu messen.

Nun sucht die EU-Kommission mit einer neuen Strategie den Weg aus der Sackgasse. Die sogenannte „Farm to Fork“-Strategie, auf deutsch „Vom Hof auf den Teller“, soll die europäische Landwirtschaft grüner machen. Am 23. März 2022 sollte ein neues, verbindliches Gesetz präsentiert werden. Doch da hatte der russische Einmarsch in die Ukraine bereits alles verändert. Steigende Lebensmittelpreise und ein Krieg zwischen zwei der größten Kornkammern der Welt spielten der Agrarlobby in die Karten. Sie stellte die neue Verordnung als eine Bedrohung der Lebensmittelsicherheit dar. Und viele Politiker schlossen sich ihr an.

Auch innerhalb der EU-Kommission herrschte nicht immer Einigkeit darüber, wie stark die Nutzung von Pestiziden zurückgefahren werden sollte. Der Exekutiv-Vizepräsident für einen europäischen Grünen Deal, Frans Timmermans, setzt sich für eine massive Kürzung ein. In einem exklusiven Interview mit IE nannte er die Blockade des ukrainischen Getreides eine „kurzfristige Erwägung“, die Farm to Fork nicht entgegenstehen dürfe. Denn die Strategie ziele auf „die langfristige Gesundheit und Überlebensfähigkeit unseres landwirtschaftlichen Sektors“.

Timmermans Kabinettkollege, der Landwirtschaftsbeauftragte Janusz Wojciechowski, sieht das anders: Zwar sei die Lebensmittelsicherheit in Europa noch nicht bedroht, argumentiert er, doch wisse niemand, wie sich die Situation entwickeln werde. Daher sei es wichtig, jetzt mehr Nahrungsmittel zu produzieren.

Mindestens 15 EU-Regierungen haben sich öffentlich gegen verbindliche Ziele zur reduzierten Pestizidnutzung ausgesprochen. Sie begründeten dies mit den unterschiedlichen Ausgangslagen der einzelnen Länder, mit bereits umgesetzten Verbesserungen, dem Risiko geringerer Ernten oder der Furcht vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber anderen Ländern ohne strenge Regeln. Sollte sich einer der Staaten mit der größten Landwirtschaft der Opposition anschließen – Italien, Spanien oder Frankreich – dann wird der Gesetzesentwurf wohl nicht überleben.

6) Wird der Krieg in der Ukraine die Lebensmittelsicherheit in der EU gefährden?

Nicht in der EU. Doch der Krieg wird höchstwahrscheinlich Auswirkungen auf andere Regionen haben.

Schon vor dem Krieg hatten die Preise für Lebensmittel weltweit einen Höhepunkt erreicht. Grund dafür waren vor allem die Marktbedingungen, aber auch steigende Kosten für Energie, Düngemittel und andere landwirtschaftliche Dienstleistungen. Der russische Einmarsch in die Ukraine hat diese schwierige Lage noch verschlimmert.

Die zwei Kriegsparteien gehören zu den drei Hauptexporteuren von Weizen, Mais, Raps, Sonnenblumenkernen und Sonnenblumenöl. Russland ist zudem einer der weltweiten Marktführer für Düngemittel. Wenn in der Ukraine nicht wie üblich geerntet werden kann und noch dazu der Handel mit russischen Nahrungsmitteln auf dem Spiel steht, dann könnte das dramatische Folgen für Länder in Afrika, dem Nahen Osten, Asien und dem Pazifik haben. Dort ist die Lebensmittelsicherheit ohnehin schon bedroht. Fast 50 Länder der Welt beziehen mindestens 30 Prozent ihrer Weizenimporte aus Russland und der Ukraine. Bei acht Staaten sind es sogar 80 Prozent. Und Eritrea importiert Weizen sogar nur von dort. Von den EU-Staaten ist jedoch keiner besonders abhängig vom Weizen der beiden Staaten.

7) Was bedeutet die Pestizid-Debatte für Konzerne?

Den vier größten Produzenten landwirtschaftlich genutzter Chemikalien gehören zusammen mehr als zwei Drittel des weltweiten Pestizidmarktes und fast 60 Prozent des Saatgutmarktes: Syngenta (China, in Staatsbesitz), Bayer Crop Science (Deutschland), Corteva (USA) und BASF (Deutschland). Sie haben sich unter dem Namen „Crop Life“ zusammengeschlossen und werden von der Organisation europäischer Landwirte Copa-Cogeca unterstützt. Gemeinsam betreiben sie eine Lobbymaschine. Fast zehn Millionen Euro geben sie jährlich aus, um sich gegen verbindliche Ziele zur Reduzierung von Pestizidnutzung zu engagieren. Das ist mehr als die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ausgibt, um Ackergifte zu regulieren. Indem sie „Wirkungsstudien“ fordern, verzögern sie Abläufe. Außerdem mobilisieren sie Unterstützer aus den USA, um Druck auf die EU auszuüben. Das beweist eine geleakte Präsentation von Crop Lifes Social-Media-Strategie von September 2021.

Wird ein Ackergift verboten, ist die Alternative meist schon auf dem Markt. 452 Pestizide hat die EU aktuell zugelassen. Dennoch prahlt sie damit, „die strengsten Pestizidgesetze der Welt“ zu haben. Immerhin: 937 Mittel sind laut einer EU-Datenbank verboten.

Trotzdem würden strengere Regeln ein Risiko für die Industrie darstellen. Die „Big Four“ verlieren schon jetzt immer mehr Abnehmer an China und Indien, deren Pestizide viermal billiger sind als die patentierten Produkte. Die französische NGO Le Basic schätzt, dass die „Big Four“ zwischen 2014 und 2020 sechs Milliarden Dollar ihres Umsatzes verloren haben.

Insgesamt scheint es, als wolle die Industrie Reformen nicht für immer verhindern, sondern nur so lange, bis sie Alternativen findet. Gemeinsam mit den Bauernorganisationen fordert sie die Entwicklung von Robotern und precision farming – Technologien, die wenig umstritten sind, aber Landwirte  auf andere Weise wirtschaftlich abhängig machen würden. Die Industrie fördert außerdem neue Züchtungstechniken: das sind gentechnisch veränderte Organismen (GMO), die in Europa größtenteils verboten sind, aber in den USA und anderen Ländern weitverbreitet. Hinter diesem Begriff verbergen sich jede Menge brisanter ethischer und politischer Debatten.

8) Ist die biologische Landwirtschaft der Ausweg aus der Pestizidfalle?

Das könnte sie sein, doch der Verzicht auf Ackergifte ist nur der erste Schritt. Wenn Landwirte ihre Felder mit weniger Gift bestellen sollen, dann brauchen sie auch neue Methoden: zum Beispiel Wechselwirtschaft mit längeren Intervallen, weniger Mineraldünger und natürliche Schädlingsbekämpfung.

Die biologische Landwirtschaft fährt in der Regel geringere Ernten ein. Doch der damit verbundene Rückgang ist nur ein Bruchteil dessen, was wir an Nutztiere verfüttern. Weniger Fleischkonsum würde das Pestizidproblem schon bedeutend eindämmen.

Muss weniger Ernte weniger Profit für die Bauern bedeuten? Nicht unbedingt. Bei einer Studie von 55 biologischen Nutzpflanzen auf fünf Kontinenten über 40 Jahre kam heraus, dass die biologische Landwirtschaft trotz geringeren Ertrags zwischen 22 und 35 Prozent höhere Profite als die herkömmliche Landwirtschaft erbrachte. Die Erklärung dafür? Landwirte konnten auf hochwertige Märkte zugreifen und Kosten-Nutzen-Verhältnisse erreichen, die 20 bis 24 Prozent höher waren als in der herkömmlichen Landwirtschaft.

Andere Studien legen einen Mittelweg nahe. Sie zeigen, dass die Ziele der EU-Kommission zur verringerten Pestizidnutzung ohne große Produktivitäts- und Profitverluste erreichbar sind. 2017 schlossen französische Wissenschaftler eine Studie von mehr als 900 kommerziellen Höfen ab, mit dem Fazit: „Bei 77 Prozent der untersuchten Farmen konnten wir keinen Widerspruch zwischen geringer Pestizidnutzung und hoher Produktivität sowie hohem Profit feststellen.“

Was sagen Landwirtinnen und Landwirte dazu? Wir haben sowohl auf konventionellen als auch auf Bio-Höfen nachgefragt.

9) Haben Europas Konsumenten ein Mitspracherecht?

Jein. Die Nutzung von Ackergiften und ihre schädliche Wirkung auf die Artenvielfalt hat Konsumenten auf den Plan gerufen. Bereits zweimal in vier Jahren haben zivilgesellschaftliche Akteure es geschafft, mehr als eine Million Unterschriften gegen Pestizide von Bürgerinnen und Bürgern der EU zu sammeln.

Eine Million verifizierte Stimmen benötigt eine sogenannte Europäische Bürgerinitiative, um ihre Forderungen auf die EU-Agenda zu setzen. 2017 brachte die Petition “Glyphosat stoppen” das Thema ins Europäische Parlament und forderte „das Zulassungsverfahren für Pestizide zu überarbeiten und EU-weit verbindliche niedrigere Ziele für den Einsatz von Pestiziden festzulegen“. Das umstrittene Ackergift ist noch immer nicht verboten, doch die Petition war dennoch erfolgreich: laut EU-Kommission war die Initiative einer der Gründe, warum jetzt verbindliche Ziele vorgeschlagen wurden. Auch 2021 sammelte eine Kampagne die nötigen Stimmen: Die Initiative „Rettet Bienen und Bauern!“ fordert ein vollständiges Verbot von Pestiziden. Sobald die Gültigkeit aller Stimmen bestätigt ist, wird das Europäische Parlament erneut eine öffentliche Anhörung abhalten müssen, voraussichtlich im Herbst 2022.

Auch im Lokalen setzt sich der Kampf gegen Ackergifte fort. Ein Beispiel ist der Volksentscheid in Mals in Südtirol. Dort haben die Bürgerinnen und Bürger entschieden, Pestizide in ihrer Region zu verbieten. Als einige Landwirte dagegen klagten, wurde die Entscheidung von einem regionalen Gericht für ungültig erklärt. Jetzt liegt sie beim höchsten Verwaltungsgericht in Rom. Die Lokalbevölkerung gibt indessen nicht auf. Sie will nicht nur gegen Pestizide vorgehen, sondern ihre Landschaft insgesamt vor industrieller Landwirtschaft schützen, die dort noch kaum verbreitet ist.