EU-Parlament will Luxus-Pensionen kürzen

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Sigrid Melchior || ""
Sigrid Melchior
Pascal Hansens || ""
Pascal Hansens
23. Mai 2023
Das Präsidium des Europaparlaments plant eine drastische Kürzung der Zahlungen aus dem umstrittenen Fonds für Zusatzpensionen an ehemalige Abgeordnete, um den Schaden für die Steuerzahler zu mindern. Diese sollen noch 86 Millionen Euro zahlen.
Seit 19 Jahren wissen die EU-Parlamentarier, dass dem schon 1989 aufgelegten privaten Pensionsfonds für ehemalige Abgeordnete mehrere hundert Millionen Euro fehlen, um die zugesagten Zahlungsverpflichtungen zu decken, wie Investigate Europe (IE) kürzlich berichtete. Doch erst jetzt, kurz dem drohenden Bankrott des Fonds, will die Parlamentsführung das System reformieren. Darüber erzielte das 20-köpfige Präsidium des Parlaments nun am späten Abend des 22. Mai in einer Sondersitzung eine grundsätzliche Einigung. Alessandro Chiocchetti, Generalsekretär der Parlamentsverwaltung, hatte dafür zwei Optionen vorgeschlagen, wie aus einem Dokument hervorgeht, das IE vorliegt.

Die erste sah lediglich vor, die Zahlungsansprüche der Begünstigten um die Hälfte zu kürzen. Die Parlamentsführung, der Vertreter aller Fraktionen angehören, entschied sich jedoch für die weitergehende zweite Option. Nun sollen zusätzlich das Alter zum Renteneintritt von 65 auf 67 Jahre angehoben und der Inflationsausgleich gestrichen werden. Darüber hinaus will das EP-Präsidium den rund 900 Begünstigten des Fonds, darunter auch drei amtierende EU-Kommissare, anbieten, gegen eine einmalige Zahlung aus Fonds auszuscheiden. Zur Belohnung sollen die Freiwilligen die ursprünglich aus ihren Büropauschalen gezahlten Beiträge und zusätzlich bis zu 20 Prozent dieser Summe erhalten. Das soll nach Berechnung der Verwaltung das auf 310 Millionen Euro bezifferte Defizit auf dann noch 86 Millionen Euro vermindern. Auch diese Summe müsste aber aus dem Parlamentshaushalt und damit von den Steuerzahlern finanziert werden. „Diese Maßnahmen werden das Pensionssystem auf einen nachhaltigeren Weg bringen”, erklärte ein Sprecher. Gänzlich unklar ist, wie viele Ex-Abgeordnete sich dafür entscheiden werden, aus dem Fonds auszusteigen, was einen erheblichen Einfluss auf das zu tragende Defizit haben wird. Dazu zählt auch der FDP-Politiker und künftige deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff. Auf Anfrage äußerte er sich nicht zu seiner weiteren Mitgliedschaft.

Ungeklärt ist auch, ob die Entscheidung rechtlich Bestand hat. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden einige der Betroffenen Klage beim Europäischen Gerichtshof einlegen.

Vor der Entscheidung hatte Investigate Europe berichtet, dass die drei Präsidiumsmitglieder Othmar Karas (Österreich, EVP), Roberts Zīle (Lettland, ECR) und Dimitrios Papadimoulis (Griechenland, Linke) selbst Begünstigte des Pensionsfonds sind. Nach den Fragen von IE zum Umgang mit diesem Interessenkonflikt haben alle drei nun an dieser Abstimmung nicht teilgenommen.

Kritiker fordern Änderung des Parlamentsstatuts

Der deutsche Grünen-Abgeordnete Daniel Freund, der im Haushaltskontrollausschuss seit langem vor dem Pleiterisiko mit dem Fonds gewarnt hat, hält aber auch diesen Vorschlag für nicht tragfähig. „Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber auch damit wird der Fonds in Konkurs gehen und soll mit Steuergeldern gerettet werden“, erklärte er gegenüber IE. Auch die jetzt geplanten 86 Millionen Euro seien „noch immer eine Menge Geld.“ Freund bezweifelt zudem die Berechnung. Die Schätzungen seien „sehr optimistisch“.

Freund meint, die einzig ehrliche Lösung bestehe darin, das Statut des EU-Parlaments zu ändern, das die Diäten und Pensionszusagen der Abgeordneten regelt. Dieses war 2005 verabschiedet worden und verpflichtet das Parlament in Artikel 27 für die Zahlungsverpflichtungen des Fonds im Falle eines Konkurses zu haften. „Die Grünen fordern die Streichung und damit die Beseitigung der Rechtsgrundlage, die das EP zur Rettung des Fonds verpflichtet“,erklärte Freund. „Wir müssen unter allen Umständen vermeiden, dass das Geld der Steuerzahler verwendet wird“, sagt er.

Bis dahin wäre es aber ein weiter Weg. Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments (Juri) muss einen Bericht vorlegen, über den im Plenum mit einfacher Mehrheit abgestimmt wird. Anschließend müsste auch der Rat der Mitgliedsstaaten mit einer verstärkten qualifizierten Mehrheit zustimmen. Das bedeutet, dass mindestens 20 von 27 Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der europäischen Bevölkerung vertreten, sich für die Statusänderung aussprechen müssten.

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