Claudia Roth startet einen Rettungsversuch in letzter Minute
Bisher ist offen, ob am Ende tatsächlich eine qualifizierte Mehrheit der EU-Regierungen auf dem Sonderrecht für ihre Sicherheitsbehörden bestehen wird oder doch einem Kompromiss zustimmt, der die Grundrechte wahrt. Aus dem Protokoll der jüngsten Sitzung des EU-Rates der ständigen Vertreter zum Thema vom 22. November geht hervor, dass nur eine Minderheit auf dem umstrittenen Zusatzparagraphen bestehen. Demnach hat die italienische Regierung die Beibehaltung des Absatzes über die nationale Sicherheit (in Artikel 4) sogar als "rote Linie" definiert, sie also einer Streichung nicht zustimmen wird. Auch die Vertreter von Frankreich, Finnland und Zypern erklärten , sie seien in dieser Frage "nicht sehr flexibel". Schweden, Malta und Griechenland seien auf der gleichen Linie "mit einigen Nuancen", heißt es in dem Dokument, das von einem hochrangigen deutschen Beamten verfasst wurde, der an dem Treffen teilnahm.
Obwohl diese sieben Staaten nur 34% der europäischen Bevölkerung repräsentieren, könnten sie mit einer sogenannten Sperrminorität im Rat jeden Kompromiss blockieren, weil die Regierung Ungarns für weitere rund 2% der EU-Bürger das Gesetz ohnehin ablehnt und für eine Zustimmung die Befürworter mindestens 65 % der EU-Bevölkerung vertreten müssen. Auch um eine solche Kampfabstimmung zu vermeiden, folgten bisher die meisten anderen Regierungen der französisch-italienischen Linie. Nur der Vertreter Portugals kritisiert offen die Ausnahme im Namen der nationalen Sicherheit. Auf Anfrage erklärte die portugiesischen Vertretung in Brüssel, man sei „besorgt über die künftigen Auswirkungen, die diese Bestimmung nicht nur auf die Freiheit der Berufsausübung von Journalisten, sondern auch auf die europäische Zivilgesellschaft haben könnte“.
Immerhin sind die sieben Hardliner im Rat zu kleineren Zugeständnissen bereit. Zusammen mit der Mehrheit sind sie bereit, die vom EU-Parlament geforderte „Zustimmung einer unabhängigen Justizbehörde“ vor dem Bruch des Quellenschutzes hinzuzufügen. Auch der „regelmäßigen Überprüfung des Einsatzes von Überwachungstechnologien“ könnten sie zustimmen, signalisierten sie.
Christophe Bigot, Anwalt und Experte für Presserecht, hält das allerdings zumindest im Fall Frankreich für ein Ablenkungsmanöver. „Jeder Verweis auf die nationale Sicherheit könnte ausreichen, um einen Journalisten zu verfolgen oder zu überwachen", warnt Bigot. Die vorherige Zustimmung eines Richters wäre nur eine „Änderung auf dem Papier, da auch Durchsuchungen bei Journalisten oder Redaktionen schon jetzt von einem Ermittlungsrichter fast immer genehmigt werden“.